30.01.1933: Paul von Hindenburg und dessen Machtübergabe an Hitler und die NSDAP
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Die Reichsverfassung räumte dem Reichpräsidenten entscheidende Rechte ein. Grundlage war der Artikel 48, nach dem er berechtigt war u.a. den Reichkanzler zu ernennen, mit Notverordnungen ohne parlamentarische Kontrolle Gesetze zu erlassen, vorübergehend auch Grundrechte wie die Freiheit der Person, die Meinungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung u.a.m. außer Kraft zu setzen. Zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung durfte er auch die Reichwehr einsetzen. Der Reichstag konnte derartigen Maßnahmen zwar widersprechen, er wiederum konnte daraufhin den Reichstag auflösen. Von dieser Machtfülle machte er spätestens zu Beginn der 30er Jahre reichlich Gebrauch. Sein Ziel war es, die Grundlagen für einen autoritären, nationalistisch-konservativen Staat ohne den lästigen Parlamentarismus zu schaffen. Als bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 die Nationalsozialisten ihren Stimmenanteil auf 37,3% verdoppeln konnten, bemühte sich Paul von Hindenburg „redlich“ Hitler und seine NSDAP an der Regierung zu beteiligen. Am 13. August 1932 fand eine persönliche Unterredung von Hindenburg und Hitler statt, Zitat: „Der Herr Reichspräsident eröffnete die Besprechung damit, daß er Herrn Hitler erklärte, er sei bereit, die nationalsozialistische Partei und ihren Führer Hitler an der Reichsregierung zu beteiligen, und würde ihre Mitarbeit willkommen heißen.“(1) Als Hitler nur zustimmen wollte, wenn er die Kanzlerschaft erhielte, verabschiedete sich von Hindenburg mit „Wir sind ja beide alte Kameraden und wollen es bleiben, da später uns der Weg doch wieder zusammenführen kann. So will ich Ihnen denn auch jetzt kameradschaftlich die Hand reichen.“(2) Nach dem Höhepunkt mit ca. 6 Millionen der Arbeitslosen im Februar 1932 begann die Wirtschaftskrise im zweiten Halbjahr 1932 abzuflauen. Im November des Jahres gab es bereits 1 Million Arbeitslose weniger. Dadurch verfing die faschistische Hetze der NSDAP bei den zweiten Wahlen im November 1932 bereits nicht mehr so sehr und der Stimmenanteil der NSDAP sank deutlich um 4,2% auf 33,1%. Die NSDAP hatte sich finanziell verausgabt und es drohte ein dramatischer Einflussverlust. Eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie war jedoch von nationalkonservativen und völkischen Kreisen nicht gewünscht. Daher richtete Mitte November 1932 eine Gruppe „führender Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie sowie großagrarischer Kreise“(3) eine Eingabe für die Berufung Adolf Hitlers an Reichspräsident von Hindenburg, in welcher es unter anderem hieß: „… Gegen das bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die Deutschnationale Volkspartei und die ihr nahestehenden kleineren Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel Eurer Exzellenz bejaht ... Die Übertragung der verantwortlichen Leitung eines mit den besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an den Führer der größten nationalen Gruppe wird die Schlacken und Fehler, die jeder Massenbewegung notgedrungen anhaften, ausmerzen und Millionen Menschen, die heute abseits stehen, zu bejahender Kraft mitreißen.“(4) Hindenburg erkannte zunehmend, dass es zwischen der völkischen Idee der Nazis und seiner Idee einer Bewegung „aller national gesinnten Deutschen“ (welche natürlich Sozialdemokraten, Kommunisten und viele Liberale ausschloss) eine hohe Übereinstimmung gab und betrieb nach den Novemberwahlen zunehmend die Machtübergabe an Hitler und die NSDAP. Am 4. Januar 1933 fand die Besprechung statt, die oft als Geburtsstunde der NS-Diktatur bezeichnet wird: Im Hause des Bankiers von Schröder, einer der Unterzeichner des oben zitierten Aufrufes, trafen sich Schröder und von Papen mit Hitler, Heß und Himmler. Dazu der Bankier von Schröder in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 3. November 1945: „Diese Änderungen, so erläuterte er damals, würden die Ausschaltung der Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden aus den führenden Stellen in Deutschland und die Wiederherstellung der Ordnung im öffentlichen Leben einschließen. Von Papen und Hitler erzielten ein grundsätzliches Übereinkommen …“(5) Zudem war Hindenburg in den Osthilfeskandal verwickelt. Mit der Osthilfe wurden Förderungen des Reiches und von Preußen für ostpreußische Gutbetriebe ausbezahlt. Zu dieser Entscheidung Hindenburgs, Hitler mit der Regierungsbildung zu beauftragen, mögen auch der sogenannte Osthilfeskandal, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Finanzierung von Gut Neudeck, welches Hindenburg 1928, finanziert von Vertretern der Großlandwirtschaft und Schwerindustrie, geschenkt worden war sowie Vorwürfe, der Reichspräsident habe aus familiären Gründen im Zusammenhang mit Subventionsgewährungen in die Untersuchung eingegriffen, beigetragen haben. Die Gefahr, dass Hitler die Korruption Hindenburgs publik machen würde, stieg und setzte Hindenburg zusätzlich unter Druck (6). Die NSDAP-Zeitung "Hakenkreuzbanner" erhöhte den Druck am 21. Januar 1933 mit einem Beitrag über Gut Neudeck (7). Hindenburg musste zunehmend erkennen, dass weitere politische Kreise die Schlinge um seinen Hals zuzuziehen begannen: Der Titel der "Berliner Morgenpost" lautete 20. Januar bereits „Zum Zahlen gut genug! Der Anschlag der Großararier gegen das Volk – Reichstag brandmarkt ‚Osthilfe-Gewinnler'…“, berichtet vom Verlangen, „daß Schluß gemacht werde mit der Korruption im Osten, und forderte Prüfung der ganzen Angelegenheit durch eine neutrale Stelle, den Rechnungshof des deutschen Reiches“(8) und benennt in diesem Zusammenhang namentlich „Herr von Oldenburg-Januschau“(9) den Freund Hindenburgs, welcher die Schenkung an Hindenburg organisiert hatte. Am 22. Januar 1933 scheint die endgültige Entscheidung gefallen zu sein: Im Tagebucheintrag Franz von Papens über ein erneutes Treffen mit Hitler, bei welchem Oskar von Hindenburg, der Sohn des Reichspräsidenten zugegen war, heißt es: „Hitler sendet ... Herrn von Ribbentrop zu mir mit der Bitte um eine Unterredung in dessen Hause. Ich fragte den Reichspräsidenten, ob er es für opportun halte, daß ich Hitler sehe? ... Da ich mir über den Ernst der Lage klar war, bat ich den Feldmarschall, zur Korrektur meines Urteils oder meiner Eindrücke aus dieser Unterhaltung zu erlauben, daß sein Sohn Oskar und der Staatssekretär Dr. Meißner mich begleiteten … Der Reichspräsident ... sei der Meinung, die Zuspitzung der Lage mache es wünschenswerter noch als bisher, die Bewegung an dieser oder einer neuen Regierung zu beteiligen. Hitler … betonte, eine Beteiligung seiner Bewegung werde nur unter seiner Kanzlerschaft möglich sein. ... Über eine reiche Beteiligung bürgerlicher Minister werde man sich leicht einigen können“(10) Wie sehr die Eingabe „führender Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie sowie großagrarischer Kreise“(11), das Engagement des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder sowie Hindenburgs antidemokratische Bestrebungen den Nazis in ihrer größten Not „aus der Patsche halfen“, zeigt ein Tagebucheintrag von Göbbels vom 3. Januar 1933: „Der Lippische Wahlkampf setzt nun ein. Es ist uns mit Mühe gelungen, die dafür nötigen Gelder zusammenzubringen. Wir werden alle Kraft auf dieses kleine Land konzentrieren, um einen Prestigeerfolg herbeizuführen. Jetzt muß die Partei wieder zeigen, daß sie noch siegen kann.“(12) In Abstimmung mit Franz von Papen ernannte Hindenburg dann am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler, Papen wurde Vizekanzler. Die amtliche Mitteilung über Hindenburgs Ernennung der ersten Nazi-geführten Regierung lautete: „Der Reichspräsident empfing heute Vormittag den Führer der Nationalsozialistischen Partei Hitler, sowie Reichskanzler a. D. von Papen zu einer längeren Besprechung. Der Reichspräsident hat Herrn Hitler zum Reichskanzler ernannt und auf dessen Vorschlag die Reichsregierung … neu gebildet.“ (13) Und wie sehr Hindenburg die Errichtung der faschistischen Diktatur weiterhin konsequent unterstützte, zeigt auch, dass er auch das am 1. Februar 1933 an ihn gerichtete warnende Schreiben des ebenfalls antidemokratischen Generals a.D. Ludendorff ignorierte. Ludendorff schrieb: „Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfaßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in ihrem Grabe verfluchen.“ (14) Bereits wenige Tage danach verfügte Hindenburg die Auflösung des Reichstags und erließ die Verordnung zum Schutz des Volkes, durch welche wesentliche Grundrechte eingeschränkt wurden. Hindenburg hatte systematisch und erfolgreich die Grundlagen zur Errichtung der Nazi-Diktatur gelegt! Quellen:
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Nach dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise verliert die NSDAP erheblich an Stimmanteilen: Nachdem die NSDAP bei den Wahlen 1930 und im Juli 1932 riesige Zugewinne verzeichnet hatte und sich bei den beiden Wahlen 1932 finanziell verausgabte, führte der deutliche Rückgang der Stimmanteile in der Novemberwahl 1932 (bei gleichzeitigen Zugewinnen fast aller anderen relevanten Parteien) zu einer regelrechten Krisenstimmung (siehe Goebbels-Zitat). Just in dieser Situation wurde die angeschlagene NSDAP von Hindenburg, Großindustriellen, Bankiers und Großagrariern unterstützt, da aus Sicht dieser Antidemokraten die "Gefahr" der Stabilisierung der Weimarer Demokratie bestand: Das gemeinsame Interesse von Großindustriellen, Bankiers, Großgrundbesitzern, Hindenburg und Hitler an der Zerstörung der Weimarer Demokratie führte über die Eingabe an Hindenburg zu dessen Machtübergabe an Hitler und die Nazis (nachstehend eine Auswahl der Unterzeichner, vollständige Liste, siehe Quellenangabe, links unten):
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